Welche Anforderungen der EU-MDR gelten für Händler von Medizinprodukten?

Erfahren Sie hier, wie die Rolle des Händlers von Medizinprodukten definiert wird und welchen Pflichten er nachkommen muss.

Ersetzt die letzte Version vom 27.05.2019

Die neue Medizinprodukteverordnung (EU-MDR 2017/745) nimmt die einzelnen Marktakteure stärker in die Pflicht. So wurden erstmals explizite regulatorische Anforderungen eingeführt, die Händler (Distributoren) von Medizinprodukten erfüllen müssen.

Inhalt:

Welche allgemeinen Aufgaben und Pflichten haben Händler gemäss der EU-MDR und IVDR?

Die EU-MDR definiert «jede natürliche oder juristische Person in der Lieferkette, die ein Produkt bis zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme auf dem Markt bereitstellt, mit Ausnahme des Herstellers oder des Importeurs» (Art 2 Abs 34) als Händler. Das ist insofern wichtig, als dass man aufgrund einer Markttätigkeit automatisch zum Händler wird und somit auch dessen Pflichten wahrnehmen muss.

Die allgemeinen Pflichten der Händler werden in Artikel 14 der EU-MDR ausgeführt. Händler haben unter der EU-MDR (und IVDR) eine überprüfende bzw. kontrollierende Rolle bezüglich der Medizinprodukte, die sie vertreiben. Dazu gehört die Überprüfung, ob die Medizinprodukte CE-markiert sind und eine gültige EU-Konformitätserklärung vorliegt. Auch müssen sie sicherstellen, dass die Gebrauchsanweisung und Etiketten der Produkte in der Landessprache vorhanden sind, wo das Produkt vertrieben wird (lesen Sie mehr zu den Sprachanforderungen in diesem Blogpost).

Im Falle von importierten Medizinprodukten muss zudem geprüft werden, ob der Importeur seine Anforderungen gemäss EU-MDR Art 13 Abs 3 erfüllt. Das heisst, der Händler muss überprüfen, ob der Importeur die Angaben zu seiner Niederlassung dem Produkt beigelegt hat und ob dieser unter diesem Standort ermittelbar ist. Auch die Überprüfung einer gegebenenfalls vergebenen UDI gehört zur Pflicht des Händlers. Mit dieser Überprüfung übernimmt der Distributor einen Teil der Verantwortung, dass die von ihm vertriebenen Produkte auch konform sind. Lesen Sie hier mehr über Schweizer Importeure von Medizinprodukten.

Damit wird der Händler zu einer weiteren «Kontrollinstanz» auf dem Medizinproduktemarkt. Hat der Händler Grund zur Annahme, dass ein Produkt nicht den Anforderungen der EU-MDR entspricht, muss er dies dem Hersteller und gegebenenfalls dem Bevollmächtigen des Herstellers und dem Importeur mitteilen. Zudem wird der Händler verpflichtet, die Behörden zu informieren, wenn der Verdacht besteht, dass das Produkt gefälscht ist oder eine ernsthafte Gefahr für die Gesundheit darstellt. Hier reicht es also nicht, das Produkt nicht zu vertreiben (Abgabeverbot), sondern die Meldung an die Behörde ist Pflicht.

Erfährt er von Vorkommnissen in Zusammenhang mit einem von ihm vertriebenen Produkt, ist ein Händler verpflichtet, unverzüglich den Hersteller (oder den Importeur und den Bevollmächtigten bei importierten Produkten) zu informieren. Über Beschwerden, nichtkonforme Produkte sowie Rückrufe und Rücknahmen muss er zudem ein Register führen. Hierbei ist der Händler verpflichtet, die zuvor genannten Marktakteure auf dem Laufenden zu halten und ihnen auf Ersuchen zusätzliche Informationen zur Verfügung zu stellen. Gegenüber den Behörden muss der Händler sämtliche vorliegenden Informationen auf Verlangen vorlegen.

Aber auch bei der Rückverfolgbarkeit der Produkte werden Händler unter der EU-MDR in die Pflicht genommen. Gemäss Artikel 27 (8) müssen sie die UDI von bezogenen oder abgegebenen Produkten erfassen und speichern, sofern sie zu implantierbaren Produkten der Klasse III gehören. Die Europäische Kommission kann anhand von Durchführungsrechtsakten zudem weitere Produkte, Produktkategorien oder Produktgruppen festlegen, für welche diese Anforderung gilt.

Für Fragen zu den Anforderungen an Händler kann auch das Dokument MDCG 2021-27 Questions and Answers on Articles 13 & 14 of Regulation (EU) 2017/745 and Regulation (EU) 2017/746 hinzugezogen werden, das sich mit den Pflichten von Herstellern und Importeuren auseinandersetzt. Alternativ empfehlen wir Ihnen unseren diesbezüglichen Blogartikel.

Händler haben unter der EU-MDR (und IVDR) eine überprüfende bzw. kontrollierende Rolle bezüglich der Medizinprodukte, die sie vertreiben.

Wann muss ein Händler die Pflichten des Herstellers übernehmen?

Die EU-MDR definiert in Artikel 16, in welchen Fällen ein Händler gar die Pflichten des Herstellers übernehmen muss. Dies ist dann der Fall, wenn er ein Produkt unter seinem eigenen Namen, einem eingetragenen Handelsnamen oder einer Handelsmarke vertreibt. Ein Händler hat jedoch die Möglichkeit, dies in Vereinbarung mit dem Hersteller zu tun, wonach dieser weiterhin als solcher auf der Kennzeichnung angegeben ist und damit auch weiterhin den Pflichten als Hersteller nachkommt.

Ändert ein Händler jedoch die Zweckbestimmung eines Produkts, welches sich bereits im Verkehr befindet oder welches bereits in Betrieb genommen wurde, übernimmt er damit die Pflichten des Herstellers. Dies gilt auch, wenn er an im Verkehr befindlichen oder bereits in Betrieb genommenen Produkten Änderungen vornimmt, welche auf die Konformität einen Einfluss haben.

Mit der Übernahme der Pflichten des Herstellers wächst der Pflichtenkatalog des Händlers massiv. Es ist deshalb wichtig zu wissen, wie ein Händler ein Produkt verändern darf, ohne dass diese Regelung zur Anwendung kommt.

Welchen Pflichten muss ein Händler nachkommen, wenn er ein Produkt verändert?

Stellt ein Händler bei einem Medizinprodukt die Informationen gemäss Anhang I Abschnitt 23 bereit, so gilt dies nicht als Änderung der Zweckbestimmung. Zu diesen Informationen gehören die notwendigen Angaben, die die Identifizierung des Produkts und des Herstellers ermöglichen, sowie alle für Anwender oder gegebenenfalls dritte Personen relevanten Informationen über die Sicherheit und Leistung des Produkts. Auch wenn der Händler weitere Informationen für die Vermarktung des Produkts im jeweiligen Land hinzulegt, ist dies keine Veränderung der Zweckbestimmung. Dies ist auch nicht der Fall, wenn der Händler diese Informationen in einer Übersetzung zur Verfügung stellt. Auch wenn der Händler die äussere Verpackung oder die Verpackungsgrösse eines Produkts verändert, muss er deswegen nicht die Pflichten des Herstellers übernehmen.

In diesen beiden Fällen ist er jedoch verpflichtet, die durch ihn ausgeführte Tätigkeit auf dem Produkt oder einem dem Produkt beiliegenden Dokument zu deklarieren und seine Kontaktdaten anzugeben. Zudem stellt sich in diesen Fällen die Frage nach dem Qualitätsmanagementsystem. Für Fragen zum Umpacken und zur Neukennzeichnung sei an dieser Stelle auf das Dokument MDCG 2021-26 Questions and Answers on repackaging & relabelling activities under Article 16 of Regulation (EU) 2017/745 and Regulation (EU) 2017/746 verwiesen. 

Inwiefern diese Anforderungen auch für altrechtliche Produkte gelten, wird hingegen im Dokument MDCG 2021-25 Regulation (EU) 2017/745 – application of MDR requirements to ‘legacy devices’ and to devices placed on the market prior to 26 May 2021 in accordance with Directives 90/385/EEC or 93/42/EEC ausgeführt.

Wann benötigen Händler von Medizinprodukten ein Qualitätsmanagementsystem (QMS)?

Generell gilt, dass Artikel 14 der EU-MDR keine rechtliche Verpflichtung vorgibt, dass ein Händler ein QMS einführen muss. Jedoch müssen die Prozesse, die bei allen Händlern vorhanden sein müssen, um die relevanten Verpflichtungen der EU-MDR zu erfüllen, sauber dokumentiert sein. Daher rührt auch die allgemeine Empfehlung an alle Händler, ein QMS zu implementieren. Ein QMS bietet die Gewähr, dass nur gesetzeskonforme Medizinprodukte vertrieben werden, dass nicht konforme, fehlerhafte oder ungeeignete Medizinprodukte erkannt werden und dass die Rückverfolgbarkeit gewährleistet ist.

Keine rechtliche Vorgabe, ein QMS einzuführen, gilt für einen Händler aber nur, solange er keine Anpassungen an einem Medizinprodukt vornimmt. Nimmt er jedoch die oben genannten Änderungen vor und stellt Informationen oder Übersetzungen zur Verfügung oder ändert die Verpackung, so übernimmt der Distributor die Verantwortung dafür und benötigt ein QMS, welches er von einer benannten Stelle zertifizieren lassen muss.

Mit einem QMS soll gemäss Artikel 16 der EU-MDR sichergestellt werden, dass die zur Verfügung gestellten Übersetzungen der Informationen auf dem neusten Stand sind, dass die Veränderung der Verpackung keinen Einfluss auf den Originalzustand des Produkts hat und dass die neue Verpackung eine adäquate Qualität hat.

Welche Anforderungen werden an das QMS gestellt?

Für Anforderungen an das QMS von Händlern kann zudem das Dokument der Medical Device Coordination Group MDCG 2021-23 Guidance for notified bodies, distributors and importers on certification activities in accordance with Article 16(4) of Regulation (EU) 2017/745 and Regulation (EU) 2017/746 hinzugezogen werden. Dort wird festgehalten, dass neben den oben aufgeführten Prozessen auch vertragliche Vereinbarungen ins QMS miteinbezogen werden sollten, um die Konformität sicherzustellen. Das heisst, dass Verträge mit Wirtschaftsakteuren, von welchen der Händler die Produkte bezieht, sicherstellen sollen, dass der Händler rechtzeitig informiert wird, wenn Korrekturmassnahmen ergriffen werden, um auf Sicherheitsprobleme zu reagieren, oder um die Konformität des Produkts zu erreichen. Die Guidance weist in diesem Zusammenhang sogar darauf hin, dass der Vertrag des Händlers mit der benannten Stelle die Option zur Durchführung von Vor-Ort Audits in den Räumlichkeiten des Händlers oder von Zulieferern beinhalten sollte.

Das MDCG-Dokument listet zudem die Bereiche auf, welche das QMS abdecken muss, um die Anforderungen von EU-MDR Artikel 16 zu erfüllen. Darunter fallen beispielsweise die klare Zuweisung von Verantwortlichkeiten innerhalb der Organisation, Prozesse zur Durchführung von Korrekturmassnahmen, Prozesse zur Rückverfolgbarkeit von Produkten sowie diverse Kontrollmechanismen.

Zusammenarbeit des Händlers mit weiteren Akteuren und Endkunden

Unter der EU-MDR wird die Zusammenarbeit zwischen Hersteller und Händler sicherlich intensiviert, da der Händler bestimmte Dokumente einsehen muss und Mitverantwortung trägt, dass die Dokumentation (z.B. Gebrauchsanweisung und Etikette in den benötigten Landessprachen) rechtskonform ist. Für Händler ist es ratsam, diese Punkte mit den einzelnen Herstellern vertraglich festzulegen, damit zum Beispiel geregelt ist, wer im Falle fehlender Übersetzungen der Gebrauchsanweisung die Übersetzungskosten trägt oder auch wie schnell diese zur Verfügung gestellt werden.

Weil der Händler auch bei importierten Produkten eine kontrollierende Funktion übernimmt und zur Weitergabe von Informationen verpflichtet ist, kommt es auch zu einem engeren Austausch, als dies unter der MDD der Fall gewesen sein dürfte.

Besonders deutlich zeigt sich eine veränderte Dynamik auch bei den Endkunden. Gerade Spitäler sind dabei, ihr Wissen über die verschärften EU-MDR-Anforderungen aufzubauen und ihre Prozesse entsprechend anzupassen. Das zeigt sich vor allem daran, dass Händler zunehmend Anfragen zur Lieferfähigkeit der Produkte erhalten. D.h., die Kunden sind heutzutage über regulatorische Vorgaben besser informiert und werden Händler und Hersteller vermehrt mit solchen Fragen konfrontieren bzw. Nachweise einfordern. Als Dienstleister in der Rolle als Schweizer Bevollmächtigter wurden wir damit schon mehrmals konfrontiert.

Lesen Sie mehr über den Swiss Rep oder CH-REP in diesem Blogpost.

Wie kann Decomplix Ihnen helfen?

Falls Sie nun Fragen zur Rolle des Händlers unter der EU-MDR haben oder Hilfe bei der Etablierung eines QMS brauchen, steht Ihnen unser Expertenteam jederzeit zur Verfügung. Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren.

Bilder: Zurjieta, William Potter, Aunging/Shutterstock.com

Weitere Artikel